| Position

Leitantrag des Präsidiums zur Jahreshauptversammlung 2024 in Berlin

„Vermittler sind als qualifizierte Berater Teil der Lösung des sozialpolitischen Auftrags der Altersvorsorge in Europa!“

1. Rentenpaket und Generationenkapital

Der Entwurf des „Gesetzes zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zum Aufbau eines Generationenkapitals für die gesetzliche Rentenversicherung“ lässt insbesondere aus Sicht der jüngeren Generationen viele Wünsche offen. Inhaltlich wird in dem Gesetzesentwurf das Rentenniveau bei mindestens 48 Prozent festgeschrieben. Zudem soll eine Stiftung mit der Bezeichnung „Generationenkapital“ eingerichtet und damit der Einstieg in eine teilweise Kapitaldeckung der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung vollzogen werden.  Aus den Erträgen des Generationenkapitals sollen langfristig Zuführungen an die gesetzliche Rentenversicherung generiert werden. Allerdings werden durch diese Maßnahme der Nachhaltigkeitsfaktor und der eigentlich immanente Generationenvertrag in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgesetzt und zwangsläufig stellt sich die Frage der Finanzierbarkeit dieser Maßnahme.

Der BVK beurteilt einerseits den angedachten Kapitalstock als viel zu gering. Zum anderen dürfte der Aufbau einer vernünftigen Kapitaldeckung mindestens 25 - 30 Jahre dauern. Bereits jetzt werden jedoch schon große Teile des Bundeshaushalts für Zuschüsse in die gesetzliche Rentenversicherung verwendet. Diese Finanzierungslücke wird sich in den nächsten Jahren noch erheblich vergrößern, da die Generation der „Babyboomer“ das Rentenalter erreicht und sich daher von Beitragszahlern zu Leistungsempfängern entwickelt. Das nun geplante „Generationenkapital“ kann daher nur langfristig einen Beitrag zur Finanzierung der gesetzlichen Rente leisten.

Insoweit bestehen erhebliche Bedenken, dass durch die Festschreibung des Rentenniveaus das Vertrauen in die gesetzliche Rente tatsächlich gestärkt wird. Für ein solides Fundament sollten nach Forderung des BVK vielmehr kurzfristig in moderatem Maße das Renteneintrittsalter, der Beitragssatz und das Rentenniveau angepasst werden.

2. Reform der privaten Altersvorsorge

Angesichts der Rahmenbedingungen und der zu erwartenden Einbußen künftiger Rentengenerationen fordern die Vermittler schon lange, zügig flankierende Reformen der privaten und betrieblichen Altersvorsorge einzuleiten, um spätere Altersarmut zu verhindern. Gegenüber Reformen mit Augenmaß sind die Vermittler aufgeschlossen.

Der BVK hatte diesbezüglich insbesondere im Hinblick auf die Riester-Rente diverse Vorschläge gemacht. So wurde unter anderem die Vereinfachung der Zulagenförderung und der Produkte, die Vereinheitlichung der Kinderzulagen und die Schaffung von Anreizen durch steuerrechtliche Änderungen gefordert. Zudem ist es nach wie vor nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die Einbeziehung weiterer Berufsgruppen wie z. B. der Selbständigen in die Riester-Rente nicht vorangetrieben wird. Schließlich ist nicht einzusehen, warum diese Gruppen nicht in den Genuss staatlicher Förderung der Riester-Rente kommen sollten.

Ferner hat der BVK in diversen Stellungnahmen immer wieder ein Überdenken der vollen Beitragsgarantien angesprochen. Hier könnten die Riester-Produkte durch teilweise Garantiereduktionen verbessert werden. Es ist wenig tröstlich, dass anderweitige, aus Vermittlersicht eventuell nicht mitgetragene Vorschläge ebenfalls nicht verwirklicht wurden.

Grundsätzlich begrüßenswert ist jedoch der im Koalitionsvertrag beabsichtigte Bestandsschutz für laufende Riester-Verträge.

Der BVK lehnt weiterhin die Einführung auch online vertriebener Standardprodukte für die private Altersvorsorge ab. Denn eine qualifizierte Beratung ist wichtig und muss auch angemessen entlohnt werden. Ein Vertrieb ohne Beratung widerspricht dem Verbraucherschutzgedanken.

Vorschläge zur Verbesserung der privaten und auch der betrieblichen Altersvorsorge liegen den politischen Entscheidungsträgern also vor. Zudem dürfte seit Jahren offenkundig sein, dass Reformen notwendig sind und drängen. Es ist daher zu hoffen, dass diese nunmehr auch endlich aufgegriffen und realisiert werden. Erste Ansätze scheint es diesbezüglich zumindest bei der Altersvorsorgepflicht für Selbständige zu geben.

Bei allen Reformen fordern die Vermittler, auch weiterhin als sachverständige Ratgeber für ihre Kunden zentrale Ansprechpartner bleiben zu können. Schließlich sind Versicherungsvermittler als qualifizierte Berater Teil der Lösung des sozialpolitischen Auftrags für die Altersvorsorge. Denn Vermittler wecken bei den Kunden das Bewusstsein für Vorsorge. Mit ihrer qualifizierten Beratung leisten sie einen wichtigen Beitrag, die Rentenlücken der Bürger zu schließen.

3. Digitale Rentenübersicht

Die Bezifferung der Rentenlücke soll durch die neue Digitale Rentenübersicht erleichtert werden. Sie stellt angesichts der vorherrschenden Probleme einen Lichtblick in der Rentenpolitik dar. Im Dezember 2022 nahm die Digitale Rentenübersicht bereits ihren Pilotbetrieb auf. Ab Anfang 2025 müssen alle Versorgungseinrichtungen daran teilnehmen, die entsprechenden Daten vorhalten und an die „Zentrale Stelle für die Digitale Rentenübersicht“ (ZfDR) weitergeben. Ziel ist es, dass Bürger einen Überblick über die Altersvorsorgeverträge und vor allem die daraus resultierenden Altersvorsorgeansprüche erhalten.

Der BVK begrüßt die Digitale Rentenübersicht sehr, können doch auf diesem Wege ggf. frühzeitig Versorgungslücken aufgezeigt werden. Durch die von den Vermittlern garantierte persönliche und ganzheitliche Beratung können diese Lücken dann geschlossen werden. Insoweit dürfte die gesamtheitliche Digitale Rentenübersicht nicht nur für die Bürger zu einer höheren Transparenz der bestehenden Altersvorsorgeansprüche führen, sondern auch die Beratung der Vermittler erleichtern, um auftretende Versorgungslücken zu erkennen und mit entsprechenden Produkten zu schließen.

Die Tätigkeit der Vermittler im Rahmen der Daseinsvorsorge und der damit verbundene sozialpolitische Auftrag werden gegenüber den Bürgern immer wichtiger. Damit steigt jedoch auch die hiermit verbundene Verantwortung. Vor diesem Hintergrund stellt die Rentenpolitik für den BVK einen wichtigen Bestandteil seiner Tätigkeit dar. Der Verband wird sich weiterhin in die politische Diskussion einbringen und sowohl für seine Mitglieder, aber auch für die gesamte Vermittlerschaft einsetzen, damit diese ihrer sozialpolitischen Verantwortung gerecht werden können.

4. Aufsicht über Vermittler

Der BVK lehnt nach wie vor die Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler bzw. Versicherungsvermittler von den örtlichen Industrie- und Handelskammern (IHK) sowie den Gewerbeämtern auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ab. Wir sind weiterhin der Überzeugung, dass die bisherige Aufsichtsstruktur effektiv ist und ihre Wirksamkeit bewiesen hat. Eine Übertragung der Aufsicht auf die BaFin würde unserer Ansicht nach zu erheblichen Kostensteigerungen für Vermittler führen, ohne einen Mehrwert für Verbraucher zu schaffen. Als praxistaugliche Lösung unterstützt der BVK jedoch den Vorschlag, die Zuständigkeit für Ausbildung, Sachkundenachweis, Erlaubniserteilung und Beaufsichtigung bei den IHKn zu vereinheitlichen.

5. Debatte um EU-Provisionsverbot

Die Vermittler lehnen den Vorschlag von EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness zur Einführung von partiellen Provisionsverboten im Rahmen der „Retail Investment Strategy“ weiterhin entschieden ab. Eine solche Maßnahme birgt das Risiko, die Existenzgrundlage vieler selbständiger Vermittlerbetriebe zu gefährden und sie möglicherweise zur Aufgabe ihrer Geschäftstätigkeit zu zwingen, was potenziell negative Auswirkungen auf zahlreiche Arbeitsplätze und die Gesamtwirtschaft hätte. Insbesondere hätte der Kunde das Nachsehen, da er keine qualitative Beratung mehr erhält.

Darüber hinaus würde ein Provisionsverbot die Vielfalt und den Wettbewerb auf dem Markt einschränken. In der Vergangenheit wurden bereits zahlreiche Regulierungen eingeführt, um die von den Befürwortern eines Provisionsverbots kritisierten Fehlanreize weitgehend zu beseitigen. Dies wird auch durch die jährlichen Veröffentlichungen des Versicherungsombudsmanns mit äußerst niedrigen Beschwerdequoten untermauert. Ein Verbot könnte zu einem erheblichen Anstieg des beratungsfreien Geschäfts führen, das ein niedrigeres regulatorisches Schutzniveau bietet und eine besondere Finanzkompetenz erfordert. Vertrieb ohne Beratung lehnt der BVK ab, da er nicht den Verbraucherschutzzielen entspricht.

Erfreulich ist, dass sowohl der Europäische Rat als auch der ECON-Ausschuss derzeit ein generelles Provisionsverbot ablehnen. So möchte man in erster Linie ein Provisionsverbot für den beratungsfreien Vertrieb nur dann geregelt wissen, wenn komplexe Produkte betroffen sind. Zweitens möchte man ein neues Testverfahren für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten etablieren, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden. Und drittens soll ein Provisionsverbot bei unabhängiger Beratung zwar eingeführt werden, jedoch mit der Klarstellung, dass letztendlich nur die Dienstleistung selbst betroffen ist, nicht jedoch der Status als unabhängiger Vermittler. Hierfür hatte sich der BVK in Berlin und Brüssel intensiv eingesetzt.

Eine Einigung dazu steht im Rahmen von Trilogverhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission noch aus, deren Beginn wahrscheinlich erst nach der Europawahl zu erwarten ist. Der BVK wird sich weiterhin gegen Provisionsverbote einsetzen. Zudem stellt der BVK Wahlprüfsteine mit Antworten der Parteien zu Vermittlerthemen zur Verfügung.

6. Europäische Regulierung von künstlicher Intelligenz (KI)

Das Europäische Parlament und der Rat haben eine vorläufige Einigung für eine Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften über künstliche Intelligenz (KI-Gesetz) getroffen. Die Verordnung dürfte noch vor Ende der Wahlperiode im Rahmen des sogenannten Berichtigungsverfahrens angenommen werden. Auch muss der Rat die neuen Vorschriften noch förmlich annehmen.

Das KI-Gesetz verfolgt einen risikobasierten Ansatz und legt daher unterschiedliche Pflichten und Anforderungen für verschiedene Arten von KI-Systemen fest. Im Anhang zur vorläufigen Regelung finden sich Einzelheiten zu Systemen mit hohem Risiko. Hierzu zählen unter anderem auch KI-Systeme, die für die Risikobewertung und Tarifierung in Bezug auf natürliche Personen bei Lebens- und Krankenversicherungen verwendet werden.

Versicherungsvermittler, die KI-Systeme für die Risikobewertung natürlicher Personen und beim Vertrieb von Lebens- und Krankenversicherungen einsetzen, müssten daher alle Anforderungen erfüllen, die für den Einsatz von KI-Systemen mit hohem Risiko gelten, insbesondere Transparenzansprüche.

Welche Anforderungen im Detail Versicherungsvermittler zukünftig erfüllen müssen und wie diese in der Praxis umgesetzt werden sollen, wird der BVK genau prüfen und in Zusammenarbeit mit dem europäischen Dachverband der Vermittler, European Federation of Insurance Intermediaries (BIPAR), analysieren und bewerten.

Festzuhalten bleibt, dass das Thema KI die zukünftige Arbeit des Versicherungsvermittlers auf die ein oder andere Art beeinflussen wird und daher – ähnlich wie das Thema Nachhaltigkeit – Beachtung finden sollte.

7. Fazit

In Bezug auf die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Rentenpolitik, der Reform der privaten Altersvorsorge, der Einführung der digitalen Rentenübersicht sowie der Debatte um ein EU-Provisionsverbot und der europäischen Regulierung von künstlicher Intelligenz (KI) zeigt sich eine komplexe Landschaft von Herausforderungen und Chancen für die Vermittler und die gesamte Branche.

Das Rentenpaket und die Einführung des Generationenkapitals werfen Fragen zur Finanzierbarkeit auf. Zugleich ist die Notwendigkeit von Reformen in der privaten Altersvorsorge wichtiger denn je, wobei der BVK verschiedene Vorschläge unterbreitet hat, um eine nachhaltige und effektive Vorsorge zu gewährleisten. Die Einführung der digitalen Rentenübersicht wird als positiver Schritt zur Transparenz und zur Identifizierung von Versorgungslücken begrüßt, während die Debatte um das EU-Provisionsverbot weiterhin stark kontrovers diskutiert wird. Die europäische Regulierung von KI stellt sich als ein weiterer Bereich von Bedeutung dar, der die Arbeitsweise von Vermittlern beeinflussen wird.

In Anbetracht dieser Entwicklungen betont der BVK die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsträgern und einer kontinuierlichen Anpassung an neue regulatorische Anforderungen. Die Vermittler stehen vor der Herausforderung, ihre Rolle als kompetente Berater und zentrale Ansprechpartner für Kunden beizubehalten, während sie sich gleichzeitig den sich verändernden Rahmenbedingungen und Technologien anpassen. Die bewährte Aufsicht über Vermittler durch die IHKn sollte beibehalten werden.

Der BVK wird sich weiterhin aktiv in die politische Diskussion einbringen, um sicherzustellen, dass die Interessen der Vermittler und ihrer Kunden angemessen berücksichtigt werden und eine nachhaltige Altersvorsorge gewährleistet ist.

Verabschiedet durch die Mitgliederversammlung des BVK

Berlin, 23. Mai 2024